Montag, 20. Januar 2014

Mal jammern dürfen

Die Deutschen jammern gerne und viel. Egal ob über ihre Nachbarn, über unfähige Politiker oder über überbezahlte Fußballer. Und natürlich über ihre Arbeit.
Es wird geklagt über die unfähigen Kollegen, nervige Kunden, die unmenschliche Chefetage oder auch schon über den Weg zur Arbeit. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Sobald aber ein Lehrer sein Leid klagt, kann man die Uhr danach stellen, dass sofort negative Reaktionen erfolgen. Sowohl im Bekanntenkreis als auch im "anonymen" Internet. Vormittags recht und nachmittags frei haben - dieses Vorurteil hält sich hartnäckig in den Köpfen einiger. Von den vielen Wochen Ferien, in denen nichts als gefaulenzt wird, ganz zu schweigen! Dabei sollte ein jeder, der nur kurz die Situation überdenkt, merken, dass dem nicht so sein kann.

Der Alltag

Ein kurzer Einblick in den Lehrer-Alltag. Wahr ist: Die öffentlich sichtbare Arbeit läuft tatsächlich hauptsächlich vormittags ab (solange man nicht an einer Ganztagesschule unterrichtet). Diese ist aber auch nicht zu vernachlässigen, wenn man bedenkt, dass sie größtenteils ohne Pausen abläuft. Kopiervorgänge, Versuchsaufbauten, Materialbeschaffungen, kurzfristig anberaumte Konferenzen vor Unterrichtsbeginn oder in den Pausen führen dazu, dass man den Vormittag/Mittag locker mit sechs Stunden Arbeit am Stück füllt.


Danach geht's am Nachmittag genauso munter weiter. Der größte Zeitfresser sind dabei die Stundenvorbereitungen. Eine Schulstunde Geschichte benötigt in der Vorbereitung gut und gerne drei Stunden Arbeit, wesentlich mehr, wenn sie außergewöhnlich gut werden soll. Für Deutsch benötige ich etwas weniger, aber auf eine Stunde läuft es doch hinaus. Bei 26 Stunden Unterricht in der Woche. Klar sammelt man im Laufe der Jahre Stunden an, aber auch diese wollen überarbeitet und aufgefrischt werden. Der Fall, dass ich einen Ordner aus dem Regal ziehe und die Stunde fertig vorbereitet ist, ist noch nicht eingetreten und wird auch nicht eintreten. Diesen Mindestanspruch sollte man als Lehrer schon haben. Nicht näher erwähnt werden sollte die Problematik, fachfremde Fächer zu unterrichten, wie es bei mir momentan der Fall ist. Die Vorbereitung verlängert sich naturgemäß noch einmal, muss man sich doch erst in ein komplett neues Fach einarbeiten.

Hat man den Unterricht fertig vorbereitet, setzt man sich nur zu häufig an Korrekturen. Das Fach Deutsch nimmt dabei natürlich den Löwenanteil ein. Bei vier bis fünf Schulaufgaben im Jahr und 28-30 Schülern pro Klasse ergibt sich ein gigantisch hohes Pensum an Korrekturen, da jede Arbeit zwischen 30 Minuten (untere Klassen) und 90 Minuten Zeit (höhere Klassen) beansprucht. Fehlen noch Stegreifaufgaben, Kurzarbeiten, etc. Logisch, dass man stets gewillt ist, Korrekturen in die Ferien zu verlegen (die demzufolge alles andere als frei von Arbeit sind).

Psychische Belastungen

Die größte Belastung ergibt sich für mich und viele andere Kollegen aber durch die persönlichen Schicksale der Schüler. In meinen wenigen Jahren im Dienst musste ich dabei leider schon die wildesten Dinge kennen lernen: Prügelnde Eltern, vernachlässigende Eltern, ständige Finanznöte, Suizidabsichten, Ritzen, psychische Störungen, Zwangsheiraten und dergleichen mehr. Nun bin ich Gott sei Dank keine Maschine, die solche Dinge nach der Arbeit ausblendet, sondern ein mitfühlender Mensch, dem solche Geschichten auch nach Unterrichtsschluss zu schaffen machen. Man sucht Lösungsmöglichkeiten, führt Gespräche oder fühlt einfach nur mit.
Das strengt an! Sehr sogar! Nicht ohne Grund begeben sich Lehrer überproportional häufig in psychologische oder psychatrische Behandlung.

Ungerechte Behandlung

Weil das noch nicht genug ist, muss man sich als Lehrer auch immer mit der Obrigkeit herumschlagen. Gerade als Junglehrer hat man es die Tage nicht leicht. Verbeamtet werden nur noch die Notenbesten (die Noten sagen dabei so gut wie gar nichts über die Fähigkeiten als Lehrer aus), der große Rest schlägt sich mit Angestelltenverträgen (meist auf ein Jahr befristet) herum oder fällt in die Arbeitslosigkeit. Nun hab ich nichts gegen ein Angestelltenverhätlnis, aber auf den Schlag tausend Euro netto weniger zu verdienen als so mancher Kollege ist ein Unding und - um viele Schüler und auch die Kanzlerin zu zitieren - geht gar nicht. Hinzu kommt ja auch noch die schlechtere Kranken- und Altersvorsorge als Angestellter. Bei gleicher Arbeit wohlgemerkt!
Weitere Stöcke werden Lehrer dann z.B. auch noch zwischen die Beine geworfen, wenn man Klassenausflüge nicht mehr bezahlt werden sollen und zum Privatvergnügen verkommen sollen.
Auch Knebelverträge an privaten Schulen - die in meinen Augen fast schon als sittenwidrig anzusehen sind - wären hier noch zu erwähnen. 

Fazit

Viele Punkte blieben hier sicherlich noch unerwähnt, ich habe bloß lose ein paar Sachen zusammengetragen, ohne jedweden Anspruch auf Vollständigkeit. Interessant wäre sicherlich auch ein Blick auf das Leben als Referendar, wobei man da nicht immer von "Leben" sprechen kann, mehr von einem "Überleben".
Auch muss ich sagen, dass ich in diesem Jahr großes Glück habe und die Arbeit wirklich erträglich ist, was im nächsten Schuljahr kommt, steht aber noch in den Sternen.

Um das nicht misszuverstehen: Ich liebe meinen Job und möchte nichts anderes machen. Aber ich möchte auch mal jammern dürfen.

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